Kategorie: Gedichte

  • Kaffee und Wahrheiten

    Da sitzt man dann
    mit seinem Kaffee
    unter Menschen
    und fühlt sich fremd

    Manchmal fühlt es sich an
    als wäre ich immer
    vor dem Leben davongelaufen,
    obwohl ich eine zeitlang dachte,
    ich laufe ihm entgegen

    Doch auch da bin ich
    ausgewichen,
    habe mich weggeduckt,
    vor mir selbst verborgen
    hinter einer Fassade eingemauert,
    mich selbst inhaftiert
    ohne es zu bemerken

    ohne es zu bemerken
    war meine Welt
    verzerrte Realität geworden,
    angepasst an Konzepte
    die nicht meine waren,
    im Glauben
    die *eine* Wahrheit zu kennen –
    doch in Wahrheit
    wollte ich die Wahrheit
    gar nicht erst sehen

    Und neben mir
    sitzen zwei Frauen
    und reden über Sandalen –
    wie sie wohl ihre Welt erleben?

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  • Die ewige Schwammigkeit.

    Ich hasse diese
    Schwammigkeit der Welt
    Schwammigkeit meiner selbst
    ewige Ungewissheit
    über mein Sein
    oder das Sein von 

    allem irgendwie


    Mein Universum besteht aus
    endloser Unschärfe
    endlosen Warten
    auf eine Klarheit
    die nicht kommen mag

    Momente sind wie
    Schatten im Augenwinkel
    verschwinden
    bevor ich sie wirklich
    gesehen habe
    werden Erinnerungen
    ohne Substanz

    Ich lebe ein Leben ohne mich.

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  • Unfähig.

    Ein fehlender Anfangsfaden
    wird zu zusammenhanglosen
    Satzfetzen,
    wirrem Gedankenrotz,
    konzentrationsloser Wortkotze

    Eine Millionen Themen 
    ersticken in einer Endlosschleife
    aus unaufhaltsamer Unfähigkeit

    Verstand zermahlen, Geist
    zerschossen, Chancen vernichtet

    Wohin mit mir?

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  • Laufen.

    Kein Hund da,
    trotzdem laufe ich
    kilometerweit –
    ein lächerlicher Versuch
    etwas herzustellen
    was zumindest
    ein bisschen mehr
    als innere Einöde ist

    Füße laufen,
    laufen und laufen,
    doch nichts bewegt sich

    Stagnation

    die sich nach
    Endlosigkeit anfühlt –
    wie da-sein
    und dann
    doch wieder nicht

    In mir wabert ein seltsames Verlangen,
    eine Sehnsucht nach ewigem Verschwinden,
    weil die Angst davor zu groß ist,
    um aushaltbar zu sein

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  • Why do bats fall in love?

    Ich versuche
    ein Damals-Gefühl herzustellen:
    Alles abdunkeln,
    Grablichter und CDs,
    „Why do bats fall in love?“

    WhatsApp ersetzt ICQ
    OpenOffice ersetzt Word
    und dennoch:
    Sitzen, Schreiben und Musik,
    der Regung von
    Einsam- und Traurigkeit
    Raum geben
    diesem seltsam vertrauten Gefühl,
    aus dem ich zu bestehen scheine

    Ich atme es ein
    atme es aus
    bis es von selbst
    müde wird

    Melancholie und Nostalgie
    sind heilig

    irgendwie

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  • Ich verstecke mich.

    Ich verstecke mich
    hinter einem Getränk
    in der Hoffnung
    dass mich der Alltag
    zwischen Ananas, Maracuja und Vodka
    nicht finden kann

    Vielleicht bin ich hier sicher
    vor dem Elend des
    Tagein-Tagaus-Gedängels
    vom Dinge-von-Listen-streichen
    um neue Dinge drauf zu schreiben

    Ich verstecke mich
    vor dem Verantwortungs-Bla
    das mir im Nacken sitzt
    wie ein gefräßigen Kloß
    der sagt:
    „Werd endlich erwachsen!“

    Ich bin trotzig und will nicht.
    Morgen vielleicht.

    14
  • Bin ich?

    Die Welt schwimmt ~
    ich schwimme in ihr
    und doch von ihr fort
    der Bürgersteig schwimmt mit mir
    als könnte er jederzeit
    unter meinen Füßen davon gleiten
    zu formloser Masse werden
    mich zurücklassen
    an einem Ort den es nicht gibt
    den es vielleicht niemals gab
    an dem auch ich niemals war

    War ich jemals?

    11
  • Züge und Bahnhöfe.

    Ich mag
    an Bahnhöfen abhängen –
    Kaffee hält die Hände warm
    Rauch im Gesicht
    vor leeren Gleisen
    in irgendwelchen Ecken
    Stimmung aus endloser Grauheit
    an Wänden und Hintergrundhäusern
    dazwischen Züge, Züge
    die Freiheit versprechen

    Dann drin – Augen zu, treiben lassen
    im Sitz verkriechen
    zu Fahrgefühl werden
    den Rest aus grauen
    Deutschlandwänden
    und Graffitibahnhöfen
    einfach vorbeiziehen lassen

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  • Emotionsextreme.

    In einem Moment
    sitze ich und
    schaue einer Wolkenformation
    beim Wandern zu

    Licht und Form
    Licht und Form –
    Alles fühlt sich
    irgendwie
    in Ordnung an

    Dann biegen wir um die Ecke
    und die Wolken
    werden zu Straßen
    und die Freude
    zu Tränen,
    zu zerknüllten Taschentüchern,
    zu Dingen für den Müll

    In Ordnung
    ist plötzlich
    gar nichts mehr.

    Treppen. Jacke.
    Brot. Aioli.
    Kurze Pause.
    Atmen.
    Es geht.

    Dann
    eine Diskussion,
    ein falsches Wort
    und der Raum
    in den ich falle
    ist weit tiefer
    als mein Schweigen
    an der Oberfläche

    Noch ein paar Tränen,
    die im Ärmel verschwinden.
    Ein Kaffee. Ein Sambuca.
    Ein Händehalten.
    Atmen.
    Liebe.
    Alles ist in Ordnung.

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  • Umzug.

    Das vorletzte mal durch
    Oberbilk spazieren,
    den Duft der Ellerstraße
    nochmal tief einatmen

    Fast das letzte mal
    Papageien beobachten,
    die so tief fliegen,
    als würden sie gleich
    durch die Windschutzscheiben crashen,
    den Fahrern ins entsetzte Gesicht

    Das Blut spritzt,
    Schreie hallen
    durch die Straßen,
    die bald nicht mehr meine sind

    Fassungslos
    und gefasster als gedacht
    starre ich auf die Kulisse,
    die vorgestern noch
    meine Heimat war

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